Filmreif – Kino für Menschen in den besten Jahren
MARIA
Der Blick führt durch eine Flügeltür aufs Piano, von dem der mit weißem Tuch bedeckte reglose Körper der großen Operndiva verdeckt ist. Um sie herum nur betreten dreinschauende Männer, der Butler Ferruccio, der Arzt, die Sanitäter mit der Bahre, französische Polizisten, und dann tritt doch noch eine Frau dazu, die Haushälterin Bruna. Mehr als vier Jahre war Maria Callas zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr aufgetreten. Dann singt Angelina Jolies Maria quasi für sich selbst zum Abschied ein »Ave Maria«, während eine Collage ihrer nachinszenierten Auftritte läuft, Triumphe und Niederlagen, in spektakulären Bühnenkostümen und mondäner Privatgarderobe, im Blitzlichtgewitter vor Publikum, im Sonnenlicht auf der Privatyacht von Aristotle Onassis. Schließlich sieht man sie vor ihrem Pariser Domizil mit einem Kleiderständer voller Glamourkostüme, die sie mit Benzin überschüttet und verbrennt. Dann beginnt der erste von drei Akten über die letzten sieben Tage im Leben der Maria Callas.
Maria Callas starb am 16. September 1977 mit nur 53 Jahren, die herbstliche Stimmung verbindet sich mit dem zur Neige gehenden Leben und prägt auch den Film, mit dunstiger Luft, buntem Laub und dem tiefen Rot von Vorhängen und Roben. Mit Vorhängen und Doppeltüren wirkt die Wohnung immer auch wie eine Bühne. Fließend inszeniert Pablo Larraín die Übergänge zwischen Realität, Traum und Erinnerung, plötzlich stehen ganze Orchester und Chöre auf Pariser Plätzen und vor Gebäuden, katapultieren die Callas ganz gegenwärtig mitten hinein in ihre großen Auftritte, nur um sich genauso plötzlich wieder zu verflüchtigen, wie Geister der Vergangenheit. Angelina Jolie spielt mit einer schläfrigen Herablassung, jede ihrer Bewegungen hat die Gravitas des Divenhaften, ist immer Pose und Inszenierung, im vollen Bewusstsein ihrer Wirkung, und dann wieder ist sie für einen Moment verloren zwischen den Zeiten. (epdFilm)
D/I/USA 2024, R: Pablo Larraín, B: Steven Knight, K: Edward Lachmann, Sch: Sofia Subercaseaux, D: Angelina Jolie, Alba Rohrwacher, Pierfrancesco Favino, 124 Min, FSK 6, OmU